Liebe Chefs, kranke Kinder gehören dazu!



Eltern sollen die Krankheit ihrer Kinder besser planen? So ein Quatsch! Sage ich als Arbeitgeberin.

«Die Arbeitgeber empfehlen, dass die Eltern potenziell auftretende Betreuungsfälle wie ein krankes Kind im Voraus planen und generell organisieren.» meldete sich der Arbeitgeberdirektor Roland Müller letzte Woche zu Wort. Auf Anfrage beschwichtigte der Arbeitgeberverband, dies sei nur eine generelle Empfehlung.

Was soll das überhaupt heissen? Soll ich den ganzen Winter über einen Babysitter auf Standby haben, der beim ersten Niessen des Kindes antraben soll? Soll die Grossmutter von November bis März ihr Leben auf Eis legen, damit sie bei Anzeichen auf Magen-Darm-Grippe einspringen kann? Oder eben – wie das offenbar die meisten tun – das Kind mit Medis vollpumpen und dennoch in die Kita schicken, wo es andere ansteckt? Das alles im Namen der Schweizer heiligen Kuh, der Arbeit?
Als Arbeitnehmerin und Mutter regt mich eine solche realitätsfremde und naive Aussage sehr auf. Auch – das gebe ich offen zu – weil sie von einem Mann kommt. Ich kenne Herrn Müller nicht, aber seine Worte lassen doch stark vermuten, dass er kaum derjenige ist, der bei kranken Kindern – sofern er welche hat – zu Hause bleibt und sie gesund pflegt. Aber das ist wohl eine Unterstellung.
Als Arbeitgeberin nervt mich seine Aussage aber genauso. Meine Mitarbeiter sind zu 70% Mütter, die in Teilzeit arbeiten. Von Januar bis März ist bei uns Hochsaison. Ihr könnt euch vorstellen, wie unpraktisch es ist, wenn genau dann die Kinder krank werden und uns Arbeitskräfte ausfallen. Soll ich meinem Team jetzt auch sagen, sie sollen die Grippe, Erkältung, Viren ihrer Kinder besser planen, damit mir kein Woman-Power fehlt? Das wäre doch ziemlich lächerlich, oder?

Fangen wir mal mit dem Gesetz an, was sagt das denn dazu? Hierzu habe ich die Mompreneur und Juristin Rahel Straub von www.lawmeetsentrepreneur.com gefragt. «Das Gesetz - Artikel 36 Absatz 3 des Arbeitsgesetzes - schreibt vor, dass ein Arbeitnehmer bei Vorliegen eines Arztzeugnisses bis zu drei Tagen von der Arbeit fernbelieben kann zur Betreuung eines kranken Kindes. Folgende Punkte müssen dabei beachtet werden: - Es muss ein Arztzeugnis vorliegen, welches die Krankheit des Kindes bestätigt - Die Bestimmung gilt nur für Kinder bis 15 Jahre - Die Regelung gilt für jeden Einzelfall neu, somit pro Krankheit und auch für jedes Kind einzeln. Der Lohn hat der Arbeitgeber zu bezahlen, es handelt sich um eine unverschuldete Absenz.
Selbstverständlich kann ein Arbeitgeber auch kulant sein und kein Zeugnis verlangen oder mehr als drei Tage Absenz akzeptieren.» fügt sie hoffnungsvoll an.
Kann er. Sollte er auch. Denn wenn mein Kind Fieber hat, renne ich deswegen ja nicht gleich zum Arzt. Aber wenn ich jedes Mal ein Arztzeugnis brauche, muss ich das. Man rechne, was das bei drei Kindern heissen würde...
Wie gesagt, als Arbeitgeberin bin ich auch der Meinung, dass sich sowas nicht planen lässt. Dennoch kann man mit der Mitarbeiterin (ich wähle bewusst die weibliche Form, da es immer noch meist die Mütter sind, die sich um ihre kranken Kinder kümmern) schauen, wie wir das organisieren können. Vorausschicken möchte ich ausserdem, dass die Variante «ich suche mir einen Babysitter für mein krankes Kind» nicht wirklich in Frage kommt. Wer will seinen fiebernden Nachwuchs schon gerne in fremde Hände geben? Und das Kind hat bestimmt auch keine Lust auf die Nachbarin, wenn es sich schlecht fühlt. Diese Option fällt realistischerweise also schon mal weg.
Andere Möglichkeiten, sich rund um das kranke Kind zu organisieren – ZUSAMMEN mit dem Arbeitgeber (oder wieso nennen wir sie MITarbeiter, wenn sie dann alles selber deichseln müssen?). Die Situation ist je nach Fall total unterschiedlich, deshalb hier diverse Varianten (die natürlich nur für Berufe gelten, wo solche Flexibilität überhaupt vorhanden ist):
  • Allem Voran: Reden! Wir alle müssen einfach mehr Verständnis dafür aufbringen, dass hinter unseren Mitarbeitern Menschen stehen. Mit Familien, mit Problemen und eben manchmal mit kranken Kindern. Es muss doch möglich sein, das Thema zu besprechen, ohne dass irgend jemand um seinen Job bangen muss!
  • Home Office: Je nach Alter des Kindes kann es sich während einer Grippe sehr gut selber beschäftigen oder schläft eventuell viel. In dieser Zeit kann die Mitarbeiterin das Nötigste erledigen, was nicht liegen bleiben darf.
  • Arbeit übergeben: Dringende Aufgaben anderen Kolleginnen (am Besten wählt man dafür andere Mütter, das Verständnis ist mit Sicherheit grösser), so, dass man bei Rückkehr weitermachen kann. Und natürlich gibt es dann eine «Revanche». Mir ist bewusst, dass kinderlose Kollegen das nicht so toll finden. Tja, so ist das aber in einem Team, da arbeitet man auch füreinander. Suck it up!
  • Den Kindsvater aufbieten. Ja, das würde ich auch als Arbeitgeberin ansprechen. Das geht mich nichts an? Doch, ich finde schon. Wenn meine Mitarbeiterin von ihrem Mann so gar nicht unterstützt wird, dann muss man das Problem angehen. Auch Papa kann Zäpfchen schieben, das ist keine Hexerei!
Wenn der Herr Arbeitsgeberdirektor also meint, wir sollen das alles besser planen, sind hier eben auch die Arbeitgeber gefragt! Eine Firma läuft nur so gut, wie die Zusammenarbeit zwischen Chef und Team. Wenn meine Angestellten Angst haben müssen, mit mir über ihre kranken Kinder zu sprechen, bin ich einfach eine miserable Vorgesetzte!
Also, liebe Arbeitgeber: Nehmt euch die Worte von Herrn Müller zu Herzen und helft euren Mitarbeitern, gerne bei euch zu arbeiten. Nicht nur, weil sie ihren Job gerne machen, sondern auch weil sie merken, dass ihr auch Menschen seid. Menschen mit Verstand und Verständnis.

Text erstmals auf wireltern.ch erschienen.

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